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Saucool: Planet Ottakring

  • c-magazine
  • 21. Juli 2015
  • 2 Min. Lesezeit

Kleinkriminelle Kredithaie in Ottakring und ein Gspusi nach dem anderen: Michi Riebl gelingt mit großer Ambition ein kleines Kunststück.

Das Sympathische an „Planet Ottakring“ ist sein überaus stimmiges Ensemble. Obwohl dieser Film von Michi Riebl im Prinzip nur wenige Hauptfiguren hat, sind es die bis in die kleinsten Rollen passend besetzten Schauspieler, die ihn zum Ensemblestück machen und Ottakring durch ihre Sprache und ihr Verhalten den richtigen Anstrich an Lokalkolorit geben.

Riebl erzählt eine Grätzlgeschichte aus dem 16. „Hieb“ (Bezirk/Kiez), der seit dem Tod des Lokalmatadors und Profi-Kleinkriminellen mit gutem Herz, der auf den Namen Disko hörte, im Chaos versinkt, weil die erpresserische Kreditgeberin Jahn alles und jeden erpresst und tyrannisiert. Dazu unterhält sie auch eine Straßengang zwielichtiger Gesellen, die die Menschen rund um den Yppenplatz aus ihrem alten Pontiac heraus mit Springmessern und der einen oder anderen gebrochenen Nase einschüchtern soll.

Doch der aufbrausende, aber überdurchschnittlich schlaue Sammy (echt, echter, Michael Steinocher), dem der tote Disko sein schwarzes Notizbuch hinterließ, in dem so manche offene Fehde festgehalten wurde, bricht das System der Unterdrückung rasch auf und bekämpft offen die Ungerechtigkeit - was ihn beliebt bei den Armen und verhasst bei den Mächtigen macht. Gemeinsam mit der deutschen BWL-Studentin Valerie (wunderbar gewieft und rehäugig: Cornelia Gröschel) stellt Sammy halb Ottakring auf den Kopf: Dort zahlt man nämlich bald mit dem rot gefärbten Kommunisten-Schilling, was die unter der Knute vom Kreditinstitut Jahn stehenden Anwohner rasch unabhängig macht. Ein Geist von Robin Hood weht durch den Bezirk, vom Outlaw, der Gerechtigkeit für die Minderbemittelten erkämpft, und sei es, mit unlauteren Methoden.

Riebls Kleinstadtkomödie aus der Großstadt hat Parabelcharakter für die Welt da draußen, in der eine künstliche Wirtschaftskrise seit Jahren die Menschen unterdrückt; einerseits ist der Filmtitel ein Widerspruch in sich: Das engstirnige Grätzldenken geht höchstens bis an die nächste Straßenecke, jedoch weiß man auch: Drüben auf der anderen Straßenseite, da beginnt das Universum, und das ist weit, weit weg. Andererseits ist es genau das kleine Umfeld, ein Mikrokosmos, der sich so hervorragend stellvertretend für die Abbildung der großen Weite eignet.

Riebl transponiert die RomCom-Kleinkriminellen-Genremixtur, die in Hollywood seit jeher über das Charisma der beiden Hauptdarsteller funktioniert, erfolgreich in das österreichische Idiom, siedelt es charmant, aber gleich gar nicht in der hochnäsigen Bürgerlichkeit an, sondern im so genannten Wiener Proletariat zwischen Gürtel und Yppenplatz, wo Multikulti-Flair mit Balkan-Einschlag das Stadtbild prägt und genau in dieser Façon auch in „Planet Ottakring“ seine visuelle Entsprechung findet.

Riebl benutzt für seine Erzählung ziemlich ungeniert die klassische, schon ziemlich ausgetretene, aber bewährte Dramaturgie solcher RomComs mit dramatischen Elementen, aber das ist gar nicht unsympathisch: Von seinem Look und dem Gefühl der Echtheit spielt „Planet Ottakring“ auch dank eines sauber fotografierten und in seiner Tonebene raffiniert heimeligen Designs ganz vorne mit. Dass das Stück dann und wann zur seichten Nummernrevue wird, muss verziehen werden; schließlich gibt es keine Komödie ohne Klischee. Und eines darf man nicht außer Acht lassen: Dieser ­­­„Planet Ottakring“ ist der erste coole Wien-Film seit langem.

Matthias Greuling


 
 
 

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