Jacques Audiard gewinnt in Cannes
- c-magazine
- 24. Mai 2015
- 3 Min. Lesezeit
Goldene Palme für das französische Migrations-Drama „Dheepan“ von Jacques Audiard. Großer Preis für die ungarische Auschwitz-Tragödie „Saul Fia“ („Sohn von Saul“) von Laszlo Nemes: Die Palmen-Jury unter Joel & Ethan Coen vergab die zwei wichtigsten Auszeichnungen des Festivals Cannes an zwei große Filme, die knallharten Realismus mit cinephiler Publikumswirksamkeit kombinieren. Etliche Preisträger verbanden ihre Dankreden mit einer Verbeugung vor den Filmen der Coens. Die wiederum blicken auf spannende Tage zurück: „Die Arbeit in der Jury war eine der interessantesten Erfahrungen meines Lebens“, sagte Joel Coen auf dem Weg zur Preisverleihung.

Goldene Palme: Jacques Audiard („Dheepan“). Der Siegerfilm des 68. Festivals von Cannes wirkt wie ein Kino-Kommentar zur aktuellen Flüchtlings- und Migrations-Diskussion in Europa. Nur, dass die Hauptfiguren nicht aus Arabien stammen, sondern aus Asien. Ein Ex-Soldat, eine junge Frau und ein Waisenmädchen geben vor, eine Familie zu sein und fliehen vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka nach Frankreich. Dort werden sie in einer heruntergekommenen Trabantenstadt untergebracht, in der Drogendealer das Regiment führen. Wie sie versuchen, mit Arbeit und Fleiß im fremden Europa Fuß zu fassen, ohne jedoch die Schatten der Vergangenheit (und der rauen Gegenwart in ihrem Viertel) entgehen zu können, das ist berührend und mitreißend geschildert. Ganz großes Kino!

Großer Preis: Laszlo Nemes („Saul Fia“). Die Trasgödie „Sohn von Saul“ geht direkt dahin, wo niemand gern hinschaut. Zu den Gaskammern und den Verbrennungsöfen von Auschwitz im Herbst 1944. Der ungarische Regisseur Laszlo Nemes inszeniert die KZ-Hölle in einer unglaublich beeindruckenden Art. Er wählte ein quadratisches Bildformat, das immer ganz nah an den Hauptfiguren bleibt. Das Morden und die Qual rundum ist nie zu sehen, aber wie in einem apokalyptischen Hörspiel zu hören. Ein meisterhafter Film, der sich mühelos in die großen Werke zum Thema Holocaust wie Claude Lanzmanns „Shoah“ einreiht.
Beste Regie. Hou Hsiao-Hsien („The Assassin“). Mit Hou Hsio-Hsien wird in Cannes 2015 auch ein Filmemacher aus Asien gewürdigt. Das Kostümdrama „The Assassin“ ist zählt zu dieser Art Film, der man sich hingeben muss, um das Werk genießen zu können. Es flirren derart viele Namen im Raum herum, wen die junge Auftragsmörderin im 9. Jahrhundert im alten China töten soll, dass man leicht die Übersicht verliert. Meisterhaft inszeniert und deshalb zu Recht als beste Regie-Arbeit ausgezeichnet. Zur Vorbereitung schadet es nicht, sich wieder einmal das oscar-prämierte Spektakel „Tiger and Dragon“ anzuschauen. Ganz so virtuos geht es in der Geschichte um enttäuschte Liebe und viel Gewalt nicht zu. Aber sehr schön anzuschauen ist „The Assassin“ trotzdem.
Bester Darsteller: Vincent Lindon („La Loi du Marché“). Frankreichs Filmstar Vincent Lindon beeindruckt in „Das Gesetz des Marktes“ (so die deutsche Übersetzung des Filmtitels) in der Rolle eines 53-jährigen Arbeitslosen, dem schön langsam die Hoffnung auf bessere Zeiten abhanden kommt. Das Arbeitsamt schickt ihn auf sinnlose Schulungen (zum Beispiel als Kranführer) und die Jobs, die ihm angeboten werden, sind nicht unbedingt so, dass er sie mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Eine starke Leistung in einem starken Drama von Regisseur Stéphane Brizé.
Beste Darstellerinnen: Rooney Mara („Carol“) und Emmanuelle Bercot („Mon Roi“). Die Auszeichnung von Rooney Mara als beste Darstellerin in „Carol“ ist dieses Jahr der einzige Preis, der mit einem US-Film in Verbindung steht. Natürlich hätte die Jury zusätzlich auch Cate Blanchett würdigen können, die in der lesbischen Love Story „Carol“ ähnlich glanzvoll spielt wie Rooney Mara. Aber auch der Preis für Emmanuelle Bercot im Beziehungsdrama „Mon Roi“ (Regie: Maiwenn) ist hochverdient. Kein Wunder, dass Bercot von einem unvergesslichen Cannes-Erlebnis sprach: Schließlich durfte sie, als Regisseurin und außer Konkurrenz, mit ihrem Film „La Tete Haute“ das Festival auch eröffnen.
Fazit. Cannes 2015 war ein in jeder Hinsicht gelungenes Festival. Man sah im Wettbewerb viele interessante Filme, die auch im Kino ihr Publikum finden werden, und erlebte nur wenig Ausreißer nach unten.
Gunther Baumann/Peter Beddies, Filmclicks.at
Aktuelle Beiträge
Alle ansehenFlrian David Fitz' zweite Regiearbeit "Der geilste Tag" startet am 26. Februar 2016 im Kino. Andi (33) und Benno (36) haben nur eine...
Comments